Zukunftsforum »Energiewende gestalten«

Digitalisierung, Weiterentwicklung der Stromnetze sowie Flexibilisierung durch Sektorenkopplung und Speicher waren zentrale Themen der Konferenz, die rund 250 Experten aus Forschung und Praxis auf Einladung des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik in Kassel diskutierten.

Seit nunmehr dreißig Jahren entwickeln Forscher in Kassel Lösungen für die klima- und ressourcenschonende Transformation des Energiesystems – heute im Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE), zuvor in den Vorläufer-Instituten Fraunhofer IWES und dem ISET der Universität Kassel. Anlässlich dieses Jubiläums hat das Fraunhofer IEE jetzt zu einer Konferenz geladen: Rund 250 Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik diskutierten am 24. September auf dem Zukunftsforum »Energiewende gestalten« in Kassel Perspektiven für den Umbau der Energieversorgung. Im Mittelpunkt standen dabei die Digitalisierung, die Weiterentwicklung der Stromnetze sowie die Flexibilisierung des Energiesystems durch Sektorenkopplung und Speicher. Die Referenten präsentierten zahlreiche Projekte aus Forschung und Praxis, die diese und weitere Aufgaben adressieren.

»Die Zukunft kommt nicht wie ein Film, der an uns vorüberzieht. Die Zukunft ist vorhersagbar – und damit gestaltbar«, beschrieb Institutsleiter Prof. Dr. Clemens Hoffmann das Leitmotiv der Veranstaltung. Übertragen auf die Energiewende bedeutet das: »Ausgehend von einer Prognose des Energiebedarfs lässt sich sehr genau ableiten, welche Erzeugungsleistungen und welche Infrastrukturen, welche Speicher und welche Netze in Zukunft benötigt werden«, erklärte Hoffmann.

Einer der wichtigsten Schlüssel für die Gestaltung einer CO2-neutralen Energieversorgung ist die Digitalisierung. Michael Frech von der ARGE Netz Energie (ANE) erläuterte, wie das Unternehmen Datenanalysen und Prognosen bei der Direktvermarktung von Strom aus einem Virtuellen Kraftwerk einsetzt. Künftig wolle ANE auch Künstliche Intelligenz nutzen, um auf Basis erlernter Strategien automatisiert Handelsgeschäfte durchführen zu können.

»Wir müssen ein neues Betriebssystem für die Energiewende schaffen«, forderte sonnens Director Business Innovation, Dr. Benjamin Schott. Er beschrieb, wie sonnen tausende Batterien und künftig auch Wärmepumpen und Elektroautos  digital miteinander vernetzt, um Netzdienstleistungen zu erbringen. Zudem stellte Schott ein Pilotprojekt vor, bei dem auf Basis von Betriebs- und Prognosedaten mithilfe von Speichern »virtuelle Stromleitungen« geschaffen werden, die Netzengpässe vermeiden sollen. Wie viel Strom dabei in den einzelnen, dezentralen Batterien ein- oder ausgespeichert wird, wird mittels Blockchain-Technologie registriert.

Patrick Poeten vom Fraunhofer ISST präsentierte eine Lösung für den unternehmensübergreifenden Datenaustausch, die das Teilen relevanter Informationen ermöglicht, ohne dass die Partner die Souveränität über ihre Daten aufgeben müssen.

Auch viele Netzbetreiber treiben die Digitalisierung derzeit mit Hochdruck voran. Stefan Loskarn von den Stadtwerken Bamberg stellte dar, wie sich das Unternehmen in diesem Zuge vom Versorger alten Typus zu einem modernen Service-Provider wandelt. Als Beispiel führte er ein Quartiersprojekt an, bei dem die Stadtwerke eine neue, hochgradig flexible Energie-Infrastruktur schaffen, die Strom- und Nahwärmeversorgung sowie Elektromobilität in einem System zusammenführt.

Amprion-Netzplaner Dr. Tobias Hennig erläuterte, wie der Ausbau der Übertragungsnetze zur Flexibilisierung des Energiesystems beiträgt. Dabei wies er auch darauf hin, welche Bedeutung der grenzüberschreitende Stromhandel für eine sichere Versorgung hat. Die Energiewende braucht die europäische Zusammenarbeit, betonte Hennig.

Dr. Roland Hermes von innogy SE beschrieb die neuen Aufgaben, die Verteilnetzbetreiber mit der Energiewende bekommen: Sie seien gefordert, verstärkt Systemdienstleistungen aus den eigenen Netzen zu erbringen. innogy ist an mehreren Projekten beteiligt, die erproben, wie sich die dafür nötigen Flexibilitäten schaffen lassen. So hat das Unternehmen zum Beispiel mit dem Fraunhofer IEE und anderen Partnern untersucht, wie dezentrale Erzeugungsanlagen Systemdienstleistungen bereitstellen können.

Wie der Digitalisierung kommt auch der Sektorenkopplung eine Schlüsselfunktion bei der Energiewende zu. Mit der Verknüpfung von Strom, Wärme und Mobilität steigen die Anforderungen an das Energiemanagement stark, erklärte Martin Roßmann, Global Head Systems and Advanced Technologies bei Viessmann. Photovoltaik, Solarthermie, Wärmepumpen, BHKW, Power-to-Gas und -Heat, Ladesäulen – all das müsse eng miteinander vernetzt werden, noch dazu unter Berücksichtigung der Wetterdaten und der Lebensgewohnheiten.

Frank Röder von Stiebel Eltron verwies auf die Bedeutung von Wärmepumpen bei der Sektorenkopplung. Anhand zweier Wohngebäude zeigte er, welch großer Anteil des Strombedarfs einer Wärmepumpe durch Photovoltaik-Anlagen gedeckt werden kann. Voraussetzung sei, dass dort eine intelligente Steuerung installiert ist. Auch in der Sanierung böte die Wärmepumpe noch viel Potenzial, auch weil sich deren Effizienz kontinuierlich verbessert habe.

Energie- und Verkehrssektor stehen vor ähnlichen Herausforderungen, erklärte Dr. Thorsten Ebert von der Kasseler Verkehrs-Gesellschaft: Liberalisierung, neue Marktteilnehmer, Digitalisierung, Klima- und Umweltschutz. Versorger und Verkehrsbetriebe seien dann erfolgreich, wenn sie diesen Strukturwandel in ihren internen Prozessen abbilden und daraus attraktive Produkte und Dienstleistungen generieren können.

Wie die Sektorenkopplung bringen auch Speicher mehr Flexibilität in das Energiesystem. Welchen Beitrag mechanische Speicher leisten können, beleuchtete Dr. Julian Meyer von Hochtief Engineering. Meyer stellte einen Kugelspeicher vor, den das Unternehmen zusammen mit dem Fraunhofer IEE entwickelt hat. Nach dem erfolgreichen Testlauf eines Miniatur-Modells im Bodensee solle demnächst eine größere Version des Speichers in 700 Metern Meerestiefe erprobt werden.

 

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