Forschungsprojekt EMSE

Energiemanagementsystem Eichhof

Projektpartner Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH), Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL)
Förderer Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Projektlaufzeit 01/2008 - 11/2014
Bearbeitende Jan Ringelstein

 

Ziel des Projektes „EMSE“ ist, in elektrischen Netzen mit dörflicher Struktur ein automatisches Management von Verbrauchern und Erzeugern zu realisieren. Dies wurde am Beispiel des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen am Standort Eichhof bei Bad Hersfeld (LLH) umgesetzt. Das LLH ist eine Informations- und Bildungseinrichtung für den ländlichen Raum, weist ein Energiebedarfsprofil ähnlich wie ein Dorf auf und ist daher ein idealer Standort für ein Demonstrationsprojekt zum Energiemanagement. Die Gebäude des LLH umfassen die Verwaltung, Wohngebäude, Laborgebäude, Ställe zur Nutztierhaltung, Werkstätten, Trocknung und Silage sowie eine Ausstellung zu den Themen moderne Stalltechnik, landwirtschaftliches Bauwesen und energetische Biomassenutzung mit Schwerpunkt Biogas.

Im Projekt wird der Einsatz von steuerbaren Verbrauchern, die über das gesamte Gelände des LLH verteilt sind, entsprechend dem Bedarf der Mitarbeiter und den jeweiligen Rahmenbedingungen mittels eines automatischen Energiemanagementsystems („EMSE-Server“) zeitlich verschoben. Als steuerbare Verbraucher werden einerseits Pumpen und Rührwerke eingesetzt, die vom Energiemanagement automatisch und ohne weiteres Zutun geschaltet werden. Andererseits werden auch Verbraucher gesteuert, die von Mitarbeitern bedient werden, wie z.B. eine Schrotmühle. Die Mitarbeiter können den Einsatz dieser Verbraucher per Internet planen und erhalten über Textdisplays Informationen über günstige Einschaltzeitpunkte vom EMSE-Server. Außerdem wird eine mit Biogas betriebene Mikrogasturbine (MGT) als steuerbarer Erzeuger betrachtet. Das Biogas wird von der am Ort vorhandenen Biogasanlage bereitgestellt. Ferner befinden sich auf dem Gelände drei PV-Anlagen, die in die Optimierung des Energiemanagements einbezogen werden.

Alle Systemkomponenten sind über ein Feldbussystem und ein lokales Netzwerk miteinander verbunden. Die Software des EMSE-Servers basiert auf der offenen Plattform OGEMA, ein vom Fraunhofer IEE entwickeltes, quelloffenes „Betriebssystem“ für Energiemanagementsysteme.

2014/11

Erfolgreicher Abschluss des Feldtests

2014/06

Die Mitarbeiter wurden im Umgang mit dem System geschult und die vorbereitungen werden abgeschlossen

2013/09

In die EMSE-Steuerung wurden drei Rührwerke der Biogasanlage integriert, die unter der Steuerung der Firma Ökobit läuft. Die Kommunikations mit der Prozessleittschnik von Ökobit wurde erfolgreich in Betrieb genommen.

2013/08

Die Projektphase EMSE 2 beginnt. Die Mikrogasturbine Capstone C30 wurde nach längerer Laufzeit einer großen Revision unterzogen. Hierbei wurde die Brennkammer komplett ausgetauscht.

2012/05

Zwei Subkommunikationsnetze am LLH werden zu einem Messnetz

2010/01

Das Energiemanagementsystem auf Basis von OGEMA wurde in erster Version implementiert und auf dem EMSE-Server installiert. Die Ausstattung der Verbraucher mit Feldbussystemen und Steuerungseinrichtungen beginnt.

2009/03

Aufgrund der Ergebnisse der Messphase werden die automatisch zu steuernden Verbraucher festgelegt. Es erfolgen erste Abschätzungen zum Potenzial einer Spitzenlastoptimierung.

2008/10

Der Einbau des Messsystems ist abgeschlossen; sekündliche Messdaten werden auf einem zentralen Server gesammelt.

2008/01

Die Netztopologie des LLH wurde erfasst.
Zur Erfassung der Netzauslastung wird ein verteiltes Messystem eingebaut.

Software-Komponenten

Die Software-Entwicklung für EMSE basiert auf dem OGEMA-Framework, das ursprünglich für das Energiemanagement in Haushalten entwickelt worden ist und mittlerweile in Version 2.0 vorliegt.

/etc/designs/default/0.gifOGEMA ist in der Programmiersprache Java entwickelt. Die Anwendung läuft auf Servern, PCs oder Embedded Systemen mit Betriebssystem Windows oder Linux. OGEMA arbeitet auf Basis des OSGI-Frameworks, das eine Modularisierung einzelner Software-Bundles unterstützt. Die Datenhaltung erfolgt mittels einer MySQL-Datenbank. Innerhalb von OGEMA existieren OGEMA-Dienste, Anwendungen und Kommunikationssysteme als Softwaremodule sowie Geräte als Datenstrukturen. Die Installation, Parametereingabe und Wartung des Systems erfolgt vollständig per Internet mittels verschiedener OGEMA-Webseiten.

Die Kernkomponente der Software dient zur Optimierung des Einsatzes von steuerbaren Verbrauchern und Mikrogasturbine (MGT). Dafür werden täglich Erzeugungs- und Verbrauchsprognosen (Photovoltaik) für den nächsten Tag berechnet und anschließend Fahrpläne für Verbraucher und MGT generiert. Die Berechnung der Fahrpläne erfolgt entsprechend dem eingestellten Fahrplanmodell:

Spitzenlast

Hier wird der Betrieb der Verbraucher in prognostizierte Lastsenken, der Betrieb der MGT in prognostizierte Lastspitzen gelegt. Dabei wird je nach Variante die Summenlastprognose mit oder ohne PV zugrunde gelegt, aus der die steuerbaren Erzeuger/Verbraucher herausgerechnet wurden.

Spotmarkt

Hier wird der Betrieb der Verbraucher in Tarifsenken und der Betrieb der MGT in Tarifspitzenzeiten gelegt, so dass die Energiekosten gesenkt werden. Dabei wird der für den laufenden Tag bekannte Tarifverlauf der EEX verwendet.

Spitzenlast + Spotmarkt

Hier erfolgt die Planung nach dem Modell „Spitzenlast“, wenn im Betrachtungszeitraum laut Prognose eine Spitzenlastkappung möglich ist. Andernfalls erfolgt die Planung wie im Modell „Spotmarkt“.

Die Einhaltung der Fahrpläne und das Zutreffen der Prognosen wird ständig überwacht. Im Falle von Prognoseabweichungen erfolgt eine sofortige individuelle Anpassung des Betriebs von Verbrauchern und Erzeugern. Dasselbe gilt, wenn die Mitarbeiter sich entscheiden, Verbraucher manuell zuzuschalten, ohne dass dies vorher geplant war.

IT-Architektur und Verbraucher

Das IT-Netzwerk des Eichhofs enthält einen Router, mehrere Switches, den EMSE-Server und mehrere Buskoppler. Der Router stellt die Verbindung zum wide area network (WAN) her und erlaubt den Fernzugriff auf das System. Die Switches sind Netzwerkknoten und stellen zusammen mit den Leitungen die Verbindungen zwischen allen Komponenten her. Der EMSE-Server ist die Hard- und Softwarezentrale für EMSE. Es handelt sich um einen Standard-PC mit Betriebssystem SUSE Linux, Arbeitsspeicher 8 GB, Plattenspeicher 220 GB und einem Dual-Core AMD Prozessor. Auf ihm laufen die Anwendungen:

  • Energiemanagementsystem auf Basis der OGEMA Softwareplattform
  • MySQL-Datenbank-Server
  • LabVIEW zur Administration der MGT

 

Die Buskoppler sind das Bindeglied zwischen der digitalen und analogen Welt. Sie nehmen analoge Messwerte und Schaltsignale von den Verbrauchern auf und geben sie an den EMSE-Server weiter. In umgekehrter Richtung empfangen die Buskoppler Schaltbefehle vom EMSE-Server und geben sie als Schaltsignale an die Verbraucher weiter. Die manuellen Schalter an den Verbrauchern sind über Digitaleingänge dieser Buskoppler mit der Software und der Datenbank des EMSE-Servers verbunden, so dass Änderungen in den Schalterstellungen, die die Mitarbeiter vor Ort vornehmen, vom Energiemanagement registriert werden. Die Buskoppler lassen sich mittels eines passwortgeschützen Webzugriffs vom IT-Netzwerk aus konfigurieren.

Bei den gesteuerten Verbrauchern wird zwischen programmgesteuerten Verbrauchern und Verbrauchern mit fester Laufzeit unterschieden. Zu ersterer Art gehören eine Schrotmühle, drei Verbrennungsöfen und eine Spülmaschine, deren Betrieb nach erfolgtem Programmstart nicht unterbrochen werden darf. Zu letzterer Art zählen verschiedene Rührwerke der Biogasanlage und eine Güllepumpe, deren Betrieb unterbrochen werden kann, um z.B. die Spitzenlast zu kappen. Die Steuerung der Verbraucher besteht i.d.R. darin, sie über Schütze an- oder abzuschalten. Zwei der Rührwerke werden hingegen über Schaltsignale an die Leittechnik der Firma Ökobit geschaltet. Die Leittechnik-Software wurde von Ökobit für diesen Zweck um einen Schalter ergänzt, mit dem man zwischen der ursprünglichen Ansteuerung und der Ansteuerung durch das EMSE-System wechseln kann. Die Mitarbeiter am LLH interagieren mit diesem System über mechanische Schalter zum Wechsel zwischen automatischem und manuellem Modus und bekommen geplante Zuschaltzeitpunkte direkt am Verbraucher über Textdisplays angezeigt. Alle Parameter können per Internet über eine vom EMSE-Server bereit gestellte Webseite eingestellt werden.

Projektergebnisse

Mittels dieses Systems wurden in einem Feldtest über vier Monate zwei Modelle untersucht: die Minimierung der Verbrauchsspitze des Eichhofs durch ein Spitzenlastmanagement und die Optimierung des Einsatzes von Verbrauchern und Erzeugern nach variablen Tarifen, die auf den Spotmarkt-Preisen der Strombörse European Energy Exchange (EEX) basieren. Die dortigen Strompreise richten sich u.a. nach der in Deutschland zu erwartenden Stromerzeugung durch Wind und Photovoltaik. Im Feldtest gelang der Nachweis, dass mit beiden Modellen Einsparpotenziale zu erzielen sind. Diese betragen in Bezug auf die Gesamtstromkosten im Fall der Spitzenlastoptimierung etwa 7%. Die Reduktion des Leistungspreises betrug 20%. Im Fall der Spotmarktoptimierung belief sich das Einsparpotenzial insgesamt auf etwa 9%, wobei hier ebenfalls eine Reduzierung der Spitzenleistung erzielt wurde. Die real erzielbaren Einsparungen sind allerdings stark von der Ausgestaltung des Stromliefervertrags abhängig.