Windparks: Neue Betriebsstrategien sollen neben Strommarktpreisen auch Abnutzung in Stromgestehungskosten einbeziehen

Offshore-Windparks mit Null-Cent-Förderung-Geboten sowie Post-EEG-Windenergieanlagen müssen ihre Erträge allein am Strommarkt erwirtschaften. Das verlangt vorausschauende Betriebsstrategien, die neben den Marktpreisen auch die zu erwartende Abnutzung der Anlagen am nächsten Tag einbeziehen. Das Fraunhofer IEE entwickelt nun mit den Unternehmen MesH Engineering und anemos Gesellschaft für Umweltmeteorologie im vom BMWK geförderten Projekt OTELLO neue Instrumente, mit denen sich Fahrpläne für Windparks optimieren lassen. Die Expertinnen und Experten integrieren dort unter anderem Kurzfrist-Prognosen zur Turbulenzintensität – der zentrale Faktor für die Abnutzung einer Anlage.

„Prognosen zur Turbulenzintensität des Windes am folgenden Tag sind ein ganz wichtiger Baustein für den wirtschaftlichen Betrieb eines Windparks: Aus diesen Vorhersagen lässt sich ableiten, wie stark die Anlagen jeweils abgenutzt werden“, sagt Fabian Thalemann vom Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE, der das Projekt OTELLO leitet. „Kombiniert man dieses Wissen mit Marktpreis-Prognosen, können Windpark-Betreiber die Leistung ihrer Anlagen laufend so anpassen, dass sie zu jeder Zeit maximal wirtschaftlich arbeiten. Dafür schaffen wir mit unserem Vorhaben die Grundlage.“

Koordiniert wird „OTELLO“ (Operational Technical Strategies for Economic Load and Lifetime Optimization for Wind Energy Assets) vom Fraunhofer IEE in Kassel. Neben MesH Engineering und anemos Gesellschaft für Umweltmeteorologie als Projektpartner unterstützen ENGIE Deutschland Erneuerbare, Nordex Energy, Northland Power Europe, Statkraft Markets, wpd windmanager, Terrawatt Planungsgesellschaft, enercast und WindGuard Certification das Vorhaben als assoziierte Partner.

Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) finanzierte Vorhaben hat eine Laufzeit von drei Jahren und endet am 31. Dezember 2026. Es baut auf dem ebenfalls vom BMWK finanzierten Forschungsprojekt KORVA auf, das das Fraunhofer IEE und Partner 2022 erfolgreich abgeschlossen haben.

Gezieltes Abschalten verlängert Lebensdauer überproportional

Die Direktvermarktung außerhalb der Vergütung des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) erfordert eine vorausschauende Betriebsstrategie, die neben den Strommarktpreisen auch die Abnutzung der Windenergieanlagen bei den jeweiligen Witterungsverhältnissen als Teil der Stromgestehungskosten berücksichtigt. Denn Forschungsarbeiten zeigen, dass ein sehr großer Teil der Ermüdungsschäden einer Windenergieanlage oft in nur wenigen Stunden entstehen, vor allem bei selten auftretenden Stürmen. Wenn also die Anlagen in diesen Zeiten gedrosselt oder außer Betrieb genommen werden, kann dies ihre Lebensdauer überproportional verlängern. In der Folge steigt ihre Wirtschaftlichkeit. Und auch kurzfristig profitieren die Anlagenbetreiber: Sinkt die Belastung, kommt es seltener zu Schäden und Ausfällen.

Gute Gründe für die OTELLO-Forschenden, besonderes Augenmerk auf die am nächsten Tag zu erwartende Turbulenzintensität zu legen – sie hat sehr starken Einfluss auf die Abnutzung einer Anlage. So entwickeln die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen standort- und witterungsabhängige Kurzfrist-Prognosemodelle, mit denen sich die Zeiten identifizieren lassen, in denen die Turbulenzen besonders stark sein werden. Dabei beziehen sie auch weitere Faktoren wie die Strömungsnachlaufverhältnisse im Windpark sowie Niederschlag ein, die ebenfalls Einfluss auf die Abnutzung haben.

Diese Vorhersagen übertragen die Forschenden dann in ein Prognosemodell für mechanische Lasten, das die zu erwartende Abnutzung der Anlagen unter den jeweiligen Bedingungen abbildet. Kombiniert mit Preisprognosen für den nächsten Tag lässt sich daraus schließlich ein techno-ökonomisch optimierter Fahrplan für jede einzelne Anlage ableiten.

Windpark als Systemgrenze

Im grundlegenden Vorläuferprojekt KORVA hat das Fraunhofer IEE zusammen mit Partnern ein Instrument für den Betrieb von Windenergieanlagen erarbeitet, das ebenfalls mit Modellen für Komponentenabnutzung und -ausfall arbeitet, die jedoch mit über das Jahr gemittelten Windlastannahmen gespeist werden. Die Projektpartner entwickeln diese Methodik nun weiter – vor allem, indem sie mit den Prognosen zur Turbulenzintensität am nächsten Tag eine exaktere Vorhersage der tatsächlichen Abnutzung möglich machen.

Zudem weitet das Forschungsteam die Systemgrenze der in KORVA erarbeiteten Methodik aus: Beschränkte sie sich dort noch auf Einzelanlagen, so zielt OTELLO nun auf die Steuerung ganzer Windparks. Damit berücksichtigen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, dass Einzelanlagen in Windparks aufgrund von Abschattungseffekten jeweils unterschiedlichen Lasten ausgesetzt sind.

Softwarepaket zur Integration in kommerzielle Lösung

Die Forschungspartner werden ihre Prognosemodelle und Optimierungsalgorithmen schließlich in einem Softwarepaket bündeln und zur Integration in einer kommerziellen Windpark-Betriebsführungssoftware bereitstellen.

„Die in OTELLO zu entwickelnden Prognosemodule machen es möglich, Betriebsstrategien für den nächsten Tag zu entwickeln, die eine optimale Balance zwischen Erträgen und Kosten durch Abnutzung der Anlagen herstellen. Damit maximieren sie den wirtschaftlichen Nutzen der Anlagen – was wiederum einen Anreiz zur Investition in die Windenergie setzen und somit der Energiewende als Ganzes dienen wird“, sagt Thalemann.

Letzte Änderung: